Haus Weiler

Neubau in Falkenhagen / Brandenburg. Entwurf: Peter Grundmann 2002

Fertiggestellt 2003. Wohnfläche 250 m². Haus für 2 Musiker und 3 Kinder.

Unterlagen, Zeichnungen und Modelle wurden archiviert im DAM (Deutsches Architekturmuseum Frankfurt/Main).

Das Dorf Falkenhagen liegt ca. 110 km nordöstlich von Berlin in der Uckermark. Typisch für die Region waren Höfe in vierseitig geschlossener Bauweise. Heute gibt es nur noch wenige Gehöfte dieser Art, weil deren Zweckbestimmung entfallen ist. Das 1 ha große Grundstück bildete eine Ausnahme. Alle Gebäude waren noch vorhanden. Nur die den Hof östlich fassende Scheune war abgängig. Während das Grundstück westlich durch die Dorfstrasse begrenzt ist, geht es östlich in die Weite der Felder über. Die Bauherren, ein Musikerehepaar mit drei Kindern, wollten das Grundstück bewohnen, aber auch kulturell nutzen. Sie wollten ein neues Haus. Es sollte ein hohes Maß an Privatheit befriedigen. Gleichzeitig forderten sie ein offenes Haus. Das Haus abseits des öffentlichen Hofes zu errichten, war naheliegend. Der Neubau besetzt das Baufeld der Scheune, deren Reste abgetragen wurden. Erhalten geblieben ist die Mauer zum Hof. Das Haus rückt von der Mauer ab, so dass ein 3m bzw. 1,4m breiter leerer Raum entsteht. Der Abstand zum Hof erlaubte es, das Haus rundum zu verglasen. Gleichzeitig bleibt der Kontakt zum Hof erhalten. Dieser ist gefasst, jedoch ergeben sich Blickbeziehungen durch das Haus zur Landschaft. Der leere Raum – eng, rudimentär, künstlich und eher als Innenraum erscheinend – steht im Kontrast zur Weite und Topographie der heterogenen Landschaft. Das langgestreckte Haus dazwischen macht den Kontrast erfahrbar. Gewissermaßen verweisen beide Sphären auf ihr gegenüber, in dem sie als ihre Kehrseiten wahrgenommen werden. Zu einer Seite eingegraben, zur anderen schwebend, zum Hof zurückhaltend – von hier nur sichtbar über die Öffnungen der Mauer – zur Landschaft horizontal, geht das Haus eine fragile Beziehung mit dem Gelände ein. Weder dominiert es die Umgebung, noch sucht es die Verschmelzung. Statt sich mit der Form des Hauses zu befassen, war die Konzentration auf die Verhältnisse zum Kontext maßgebend. Das Haus reagiert dabei gleichwertig auf innere und äußere Bedingungen. Fassade, Dach und Bodenplatte werden als flexible Elemente behandelt, die sich entsprechend den kontextuellen Bedingungen frei modellieren lassen. In dem das Glas modelliert wird, ist es nicht mehr ein gebautes „Nichts“, eine bloße Klimahülle, sondern wird zum strukturbildenden Material. Das Vor- und Zurückspringen der Fassade – auf einer Länge von 31m variiert die Breite von 1,4m bis 11 m – erzeugt Innen- und Außenräume, Teilungen und Hinweise. Es entsteht ein räumliches Gefüge, bei der sich Außen und Innen vielfach überlagern und einer eindeutigen Zuordnung verweigern. So öffnet die Fassade das Haus mittig nach Süden und trennt es in zwei Bereiche. Während hier das Dach mit einer Auf- und Abwärtsbewegung auf die Besonnung reagiert, beginnt sich die Platte einzugraben. Es ist die programmatische Fuge, die das Haus in zwei Häuser teilt. In diesem Knotenpunkt markiert sich der Eingang durch eine leichte Krümmung des Glases. Abhängig von Programm und Orientierung trifft sich die Fassade mit dem Rand des Daches, oder weicht von diesem in unterschiedlichen Abständen zurück, so dass gar keine oder bis zu 2,60m große Dachüberstände entstehen. Dagegen korrespondiert die Platte mit dem Dach. Sie weichen nur dort voneinander ab, wo sich die beiden Bereiche des Hauses trennen bzw. verbinden. Die bewohnbare Fläche wird nicht durch die Fassade, sondern durch obere und untere Schale als ein Dazwischen formuliert. Das Programm beinhaltet den Bereich der Kinder, eine zentrale offene Zone und den Elternbereich mit Musizier- und Schlafzimmern. Kinder- und Elternteil sind durch einen Außenraum bzw. durch einen massiven Körper, den Techniktrakt, vom gemeinschaftlichen Wohnbereich getrennt. Sie funktionieren in sich und lassen gleichzeitig Momente einer Interaktion zu. Alle Räume sind zur Landschaft orientiert. Sie sind gestalterisch gleichbehandelt. Eine Differenzierung ergibt sich in ihren Beziehungen nach Innen und Außen. Das Dach liegt auf den Sichtbetonwänden und der Glasfassade, die tragend ausgebildet wurde. Dadurch konnte auf zusätzliche Stützen verzichtet werden. (Text erschienen in archplus 167, S. 48 – 51, (12/2003)

Glasfassade, Dach und Teile des Innenausbaus wurden im Selbstbau ausgeführt.

 



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