Haus Fügener

Case Study 4. Kahnsdorf / Leipzig. Fertigstellung 11/2022. Wohnhaus mit 130 m². Entwurf: Peter Grundmann.

Braunkohletagebaue hinterlassen riesige verwüstete Flächen. In Sachsen gab es 27 Abbaugebiete, von denen heute noch 3 aktiv sind. Allein hier fielen dem Bergbau über Tage 260 Ortschaften zum Opfer.

Die anfangs scheinbar nutzlosen Tagebaulöcher, auch Abbauhohlformen genannt, füllten sich mit Grundwasser, welches ansteigt aufgrund des kaum noch aktiven Braunkohleabbaus, der nur mit einer Grundwasserabsenkung möglich ist. Aber eine Auffüllung allein mit Grundwasser wäre zu langwierig gewesen, also wurde zusätzlich geflutet mit Regenwasser, Wasser aus Flüssen wie der Saale oder Elster und mit abgepumpten Grundwasser aus den wenigen verblieben Tagebauen.

In 2018 waren alle Restlöcher gefüllt, aber sie funktionieren noch lange nicht wie natürliche Seen.

Die durchgeführten Bepflanzungen müssen ständig gepflegt und erneuert werden und auch der ph-Wert des oft noch zu sauren Wassers wird bei Bedarf mit Kalkeinschüttungen angehoben. Der seit fast 30 Jahren anhaltende Renaturierungsprozess soll erst 2050 abgeschlossen sein.

Rund um Halle und Leipzig ist so aus postindustriellen Kraterlandschaften das Leipziger Neuseenland entstanden. Ostsee oder die Mecklenburger Seenplatte sind in weite Ferne gerückt. Eine Seenlandschaft liegt jetzt direkt vor der Haustür.

Der Hainer See gehört mit 600ha zu den größeren Seen der Neuseenlandschaft und stellt mit der Möglichkeit einer Uferbebauung von Wohn- und Ferienhäuser eine Besonderheit dar.

Alle Parzellen bestehen zu einer Hälfte aus einem 18m tiefen Uferstreifen, zur anderen Hälfte aus einer 18m tiefen Wasserfläche. Die Grundstückstiefe von 36m ist für alle Parzellen gleich, die Breiten jedoch variabel.

Das Haus Fügener wurde für die mit knapp 10m Breite kleinste Parzelle geplant. Um möglichst wenig Fläche des kleinen Grundstückes zu besetzen, wurde das Haus in zwei Häuser geteilt.

Das Vorderhaus ist so dicht wie möglich an die Straße gerückt, das Hinterhaus so tief wie möglich in den See. Das Grundstück dazwischen kann dadurch frei bleiben. Eine 11 m lange Brücke verbindet beide Häuser.

Das mit geschlossener Straßenfassade versehene 5m tiefe Vorderhaus besetzt die gesamte Breite des Grundstückes, so dass das Grundstück und Hinterhaus vor Blicken geschützt sind. Zum See ist es komplett geöffnet mit einer Glasfassade.

Die Nutzfläche des turmartigen Hinterhauses ist auf 3 Geschosse verteilt, um den Fußabdruck des Hauses zu minimieren. Es hat lediglich eine Breite von 5m. Die restlichen 5m der Parzelle bilden einen natürlichen Übergang vom Festland zum Wasser.

Das Vorderhaus enthält ein Gäste- oder Arbeitszimmer, eine Werkstatt, die Technikzentrale der Luftwärmepumpe und ein Duschbad mit WC. Die Werkstatt lässt sich mittels einer raumhohen Falttür zur Straße komplett öffnen. Das Dach ist mit Photovoltaikpaneelen belegt, die Energie ins Hausnetz einspeisen, oder bei Nichtbedarf einen Batteriespeicher aufladen.

Im Hinterhaus befinden sich in Ebene 1 eine Wohnküche, in Ebene 2 Bad, WC und der Schlafraum, sowie in Ebene 3 ein Atelier.

Die Stützen und Streben aus Stahl wurden exakt nach den statischen Belastungen ausgewählt, so dass sich die Konstruktion des Hauses aus vielen verschiedenen Profildimensionen zusammensetzt. Die Brücke z.B besteht aus 22 verschiedenen Rohrdurchmessern.

Dadurch entsteht ein scheinbar chaotisches Bild, obwohl alles gemäß Statik dimensioniert ist. Alle Konstruktionen, sowie die Haustechnik liegen offen vor.



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