Hoppenrade / Berlin 2015. CASE STUDY 3 – Montage beim Bauen im Bestand – demontierbare Häuser
Entwurf: Peter Grundmann. Haus mit 110 m² Wohnfläche für eine Frau. Low-Budget-Haus. Glasfassade und Möbel im Selbstbau mit Thomas Pohl.
Hoppenrade liegt im Löwenberger Land, ca. 50 km nördlich von Berlin. Die Gegend zeichnet sich durch eine unaufgeregte flache Landschaft aus. Sie wird weitgehend industrie-landwirtschaftlich genutzt und ist mit kleineren Ortschaften durchsetzt, welche überwiegend mit einzelstehenden Einfamilienhäusern bebaut sind. Auf einem Grundstück am südlichen Dorfrand Hoppenrades soll ein Wohnhaus für eine Frau entstehen. Westlich wird das Grundstück über einen öffentlichen Weg erreicht. Nördlich schließt die lose dörfliche Bebauung mit kleineren Wohnhäusern an. Östlich und südlich geht das Grundstück nahtlos und ungeschützt in die Weite der angrenzen flachen Landschaft über.
Ein ursprünglich darauf stehendes Wohnhaus aus den 30er Jahren war bereits abgerissen. Nur ein alter Stall aus Backstein trotzte den Umständen. Der Kontext bot wenig Anhaltspunkte, so dass versucht wurde alles zu verwenden, was noch irgendwie eine Bedeutung für den Ort haben könnte. Somit war schnell entschieden, die als Wildnis überinterpretierte Landschaft und der Stall sollten maßgeblich den Entwurf bestimmen. Das neue Haus wird um den Stall herum gebaut. Ein Dach überdeckt das alte Gebäude sowie die neuen Einbauten und Bereiche, wie Terrassen, Carport und einen frei stehenden Kubus, in dem sich Lager, Speisekammer und Wäscheraum befinden.
Der Neubau erstreckt sich 23 m in die Tiefe des Grundstückes und orientiert sich mit der Längsseite nach Süden zur Landschaft. Der Boden des neuen Hauses ist um 1,3 m angehoben. Dadurch entsteht eine Distanz zur rauen Landschaft, die nicht kultiviert werden soll. Die angehobene Bodenplatte und das Dach werden durch eine leichte Holzkonstruktion gehalten.
Die radikal offene Konstruktion, die sich vom Zustand des Rohbaus nicht unterscheidet und konsequent der Logik des Tragwerks entspricht, verleiht dem Haus narrative Eigenschaften. Die den Warmbereich einschließende Glasfassade kann somit, einem kontextuellen Ideal folgend, frei von der Konstruktion moduliert werden. Sie steht im Kontrast zur Logik des Tragsystems, sowie zur Form der Bodenplatte und des Daches. Durch dieses Wechselspiel entsteht eine eigenwillige räumliche Struktur, die Innen und Außen miteinander überlagern und vielfältige Wege- und Blickbeziehungen in dem kleinen Haus entstehen lassen. Das Dach überdeckt dabei eine Vielzahl von Zonen, die bei der Durchwegung des Hauses als unterschiedliche Schwellenräume wahrgenommen werden.
Die alten Gemäuer umspannen den zentralen Wohnraum. Alle anderen Nutzungen orientieren sich rund um das alte Gebäude herum. Während die Ziegelwände Gewicht und Behaglichkeit vermitteln, steht das entmaterialisierte neu Zugefügte für Offenheit, Transparenz und Leichtigkeit. Ein Bett und ein Kleiderständer auf Rollen, sowie leichte Sperrholzmöbel in Küche und Sanitärbereich vermitteln den Eindruck, jederzeit entfernt werden zu können. Die eigentliche Staufläche, sowie Speisekammer und Wäscheraum befinden sich im Kubus, erreichbar nur über die Terrasse. Man muss dafür aus dem warmen Bereich heraustreten. Obwohl der Warmbereich lediglich 94m² umfässt, wirkt das kleine Low-Budget-Haus viel größer, da die Begrenzung des Raumes mit den Rändern der auskragenden Boden- und Dachplatte wahrgenommen wird. In den wärmeren Jahreszeiten lässt sich der Wohnbereich durch das Öffnen großer Schiebetüren um die Terrassen erweitern.
Das Haus wird, bei dem Versuch seine Raumgrenzen zu definieren, je nach Standort unterschiedlich begriffen. Mal ist es die Konstruktion, mal Boden- und Dachplatte, mal die eingestellten Körper und mal die Glasfassade, die die räumliche Logik des Hauses abbilden.
(Text erschienen in archplus 223, Mai 2016)