Haus Kuhnert
Anbau in Berlin Zehlendorf 2009. Entwurf: Peter Grundmann 2008
Selbstbau mit Peter Grundmann, Thomas Pohl, Albrecht Radloff und Klemens Mühlbauer.
Zehlendorf gehört zu den attraktivsten Wohnlagen Berlins. Vom Krieg wenig zerstört, ist die gründerzeitliche Villenbebauung weitgehend intakt. Sie stehen auf großen mit Altbaumbestand bewachsenen Grundstücken. Dazwischen gibt es nur vereinzelnd Gebäude jüngeren Datums, die Häuser ersetzen, die kriegsschadenbedingt oder später aus spekulativen Gründen abgerissen wurden. Auf einem solchen Trümmergrundstück errichtete der Vater des Bauherrn 1961 ein Mehrfamilienhaus. Der mit Egon Eiermann aus Schulzeiten befreundete Architekt entwarf im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus ein nüchternes, aber durchaus ambitioniertes Gebäude in rotem Ziegelstein mit vier kleineren Wohnungen und einer 3-Raum-Wohnung zur Eigennutzung.
Heute finden sich im Haus Redaktionsräume, eine Psychotherapiepraxis, eine Einraumwohnung und die schon mehrfach erweiterte Wohnung für die fünfköpfige Familien des Bauherren. Die Wohnsituation der Familie wird 2009 mit einem Anbau verbessert: Ein Dachgarten sowie ein Zimmer für die 12-jährige Tochter sollen entstehen. Um das Grundstück nicht unnötig zu zergliedern, fügt sich der Anbau südlich in die straßenseitige Fassadenflucht des bestehenden Gebäudes. Die Größe des neuen Gebäudeteils ist durch die maximal mögliche Grundflächenzahl begrenzt, die durch den Anbau mit 22 qm schließlich ausgereizt ist. Gebaut wurde in Leichtbauweise: Wände und Decken bestehen aus Stützen-Riegel-Konstruktion in Holz, die innen mit farblos geöltem Kiefersperrholz und außen mit OSB-Platten beplankt sind. Der Fußboden ist ein geschliffener Betonestrich. Um das Zimmer nicht mit Einrichtungsmöbel zu verstellen, frei zu halten, wird die giebelständige Südwand als Servicewand realisiert. Ebenso in Kiefersperrholz gestaltet, organisiert sie Einbauschrank, Regal und Hochbett, dass die Südwand um einen halben Meter durchstößt und sich außen als 2,4m langer und 1,4 m hoher Kubus abbildet.
Ein außenliegender Vorhang schützt vor Einblicken und Überhitzung im Sommer. Der Anbau bezieht eine bestehende rote Ziegelsteinmauer in die äußere Wand mit ein und verzahnt so beide Baukörper mit einer selbstverständlichen Geste. Über dieser Ziegelmauer verläuft ein Fensterband. Die Fugen zwischen Mauer und bestehendem Haus ist mit Glas ausgefacht. Eine mit dem bestehenden Vordach korrespondierende Glasscheibe öffnet den Anbau zum Hof. Dabei ist die Scheibe in das bestehende Mauerwerk mittels eingeschnittener Fuge rahmenlos eingesetzt, so dass das Mauerwerk von Innen nach Außen durchläuft. Die Fassade des Anbaus besteht aus unbehandeltem Messingblech, das üblicherweise in der Halbleiterindustrie Anwendung findet. Die Kollision der kontrastierenden Fassadenmaterialien ergibt dennoch eine harmonisches Ganzes: roter stumpfer Ziegelstein trifft bündig auf glattes glänzendes Messingsblech, sowie auf rahmenlos eingesetztes Glas. Das regelmäßige Fugenbild der Ziegel findet seine handwerkliche Entsprechung im Schraubenraster auf dem Messingblech.
Die Fassade wurde soweit nach oben erweitert, dass sie gleichzeitig das Geländer der Dachterrasse bildet und dem Anbau eine erhabene Höhe verleiht. Ein überdimensionierter Wasserspeier zur Entwässerung der Terrasse akzentuiert die Straßenfassade.
Das Haus mit seiner fragilen, golden schimmernden Haut, dem großen Wasserspeier, außen liegenden Vorhang und dem zur Südfassade heraustretenden Bett ist eine spielerische Referenz an das Refugium eines jungen Mädchens. (Text erschienen in archplus 198/199, S. 6-9, Mai 2010)
Das Haus wurde im Selbstbau realisiert. Mitgearbeitet haben: Peter Grundmann, Thomas Pohl, Albrecht Radloff und Klemens Mühlbauer.